Vorzeitige Wechseljahre
Von „vorzeitigen Wechseljahren“ spricht man, wenn die Funktion der Eierstöcke vor dem 40. Lebensjahr erlischt (und eine Frau dann keine spontanen Regelblutungen mehr hat). Etwa ein Prozent der Frauen sind hiervor betroffen (0,3 % vor dem 35. Lebensjahr). Die typischen Wechseljahresbeschwerden (wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, psychische Instabilität, Gelenkschmerzen, Scheidentrockenheit etc.) finden sich dann in ähnlicher Häufigkeit, wie bei den Frauen, bei denen die Wechseljahre im hierfür typischen Alter (ca. 50-51 Jahre) beginnen. Der bei vorzeitigen Wechseljahren viel zu früh eintretende Hormonmangel kann sich zusätzlich negativ auswirken: Die wissenschaftlichen Daten legen nahe, dass diese Frauen, wenn sie keine Hormonersatztherapie erhalten, ein erhöhtes Risiko für Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz haben.
In vielen Fällen von vorzeitigen Wechseljahren lässt sich die zu Grunde liegende Ursache nicht genau feststellen. Der Zeitpunkt der Menopause (also der letzten „natürlichen“ Regelblutung im Leben einer Frau) unterliegt einer Menge von Einflüssen. Führend ist die Vererbung, also der genetische Faktor. In der Literatur findet man hierzu, dass der Beginn der Wechseljahre zu 40 bis 85 % genetisch bestimmt ist. Häufig zieht sich das Symptom „frühe oder späte Wechseljahre“ wie ein roter Faden durch die Generationen einer Familie. Es gibt aber eine ganze Reihe von Frauen, wo sich nichts dergleichen finden lässt.
Welche anderen Faktoren gibt es, die den Zeitpunkt der Wechseljahre beeinflussen? Denken Sie daran: das Klimakterium geht dann los, wenn der Eizellvorrat, den uns Mutter Natur im Eierstock mitgegeben hat, zur Neige geht. Dieser Eizellvorrat wird während der Schwangerschaft angelegt, also bereits beim weiblichen Embryo bzw. Feten. Das heißt, dieser Vorrat ist auch davon abhängig, welchen Einflüssen die eigene Mutter während der Schwangerschaft ausgesetzt war: Hat sie schädigende Medikamente erhalten? War sie einer Bestrahlung ausgesetzt? War sie mangelernährt? Hat sie geraucht? All dies lässt sich im Nachhinein meist schwer herausfinden.
Der Menopausezeitpunkt verschiebt sich durch beschleunigtes oder verzögertes Zugrundegehen der Eizellen nach vorn oder nach hinten. Es ist eindeutig belegt, dass das Rauchen (vermutlich über eine verminderte Sauerstoffversorgung des Eierstocks) mit einer statistisch signifikant früheren Menopause einhergeht. Auch Patientinnen, die eine Operation im Bereich der Gebärmutter oder der Eierstöcke bzw. der Eileiter hinter sich haben, kommen durchschnittlich etwas früher in die Wechseljahre. Dies ist sehr einleuchtend für Frauen, denen ein ganzer Eierstock entfernt wurde. Aber auch bei Frauen, denen die Gebärmutter entfernt wurde oder die eine Sterilisation hatten (also noch beide Eierstöcke haben), ist im Mittel mit einer etwas früheren Menopause zu rechnen. Dies ist vermutlich ebenfalls Folge einer verminderten Durchblutung an den Eierstöcken infolge von operationsbedingten Gefäßunterbindungen. Keiner der genannten Faktoren wird aber den Beginn der Wechseljahre um mehr als 1 bis 2 Jahre vorverlegen.
Eine aggressive Chemotherapie oder eine Bestrahlung im Bereich des Unterbauchs hingegen kann die Eierstöcke irreversibel schädigen. Dies betrifft gleichermaßen alle Frauen im fertilen Alter. Je aggressiver die Chemotherapie und je älter die Patientin bei der Behandlung ist, desto höher ist das Risiko einer nachhaltigen Schädigung der Eierstöcke mit der Folge eines kompletten Verlustes der Eierstockfunktion. Mediziner nennen dies „Klimakterium praecox“ (=vorzeitige Wechseljahre). Junge Mädchen, die vor der Pubertät eine solche Therapie erhalten, haben offenbar eine Art Eierstockschutz und haben deshalb meistens später keine Probleme mit der Eierstockfunktion. Andere Ursachen für frühzeitige Wechseljahre sind sehr viel seltener, dazu gehören Autoimmunerkrankungen, Virusinfektionen (z.B. Mumps), Stoffwechselerkrankungen und genetische Störungen (z.B. Turner-Syndrom).
Die Nutzen/Risiko-Bewertung einer Hormontherapie ist bei Patientinnen mit vorzeitigem Klimakterium grundsätzlich anders gelagert, als bei Patientinnen bei denen die Wechseljahre zeitgerecht einsetzen. Unabhängig davon, ob klimakterische Beschwerden bestehen oder nicht, geht es hier um den Ausgleich eines unphysiologischen bzw. krankhaften Östrogenmangels. Um östrogenmangelbedingte Langzeitschäden zu vermeiden, empfehlen in solchen Fällen heute weltweit alle Experten generell eine Hormontherapie, die bis zum mittleren Menopausealter von etwa 50-51 Jahren erfolgen sollte.
Dr. med. Katrin Schaudig
Frauenärztin, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
Gemeinschaftspraxis HORMONE HAMBURG am Gynaekologicum Hamburg