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Osteoporose

Zusammenfassung

Der Bedeutung der Osteoporose bei Frauen nach den Wechseljahren nimmt aufgrund der immensen Auswirkungen auf die Lebensqualität und Sterblichkeit der Betroffenen sowie der gesundheitsökonomischen Auswirkungen stetig zu. Die Diagnose der Osteoporose erfolgt anhand der Krankengeschichte, klinischem Bild, Laboruntersuchungen und apparativer Diagnostik. Als Goldstandard für die Diagnose der Osteoporose gilt die Knochendichtemessung mittels des DXA-Verfahrens. Ziel der Diagnostik (incl. der Krankengeschichte, klinischem Bild, Laboruntersuchungen) ist die Abschätzung des individuellen Frakturrisikos und die anschließende Therapieempfehlung zur Verringerung dieses. Als Basistherapie zur Prävention der Osteoporose wird eine tägliche Aufnahme von ca. 1000 mg Kalzium in alimentärer Form und einer Vitamin-D-Aufnahme von 1000 bis 2000 IE Vitamin D pro Tag in Tablettenform empfohlen. Das Ziel der erweiterten antiresorptiven Therapie ist die Senkung des Knochenbruchrisikos.

Einleitung und Definition

Die Definition der Osteoporose beschreibt diese als eine systemische Skeletterkrankung, die durch eine unzureichende Knochenfestigkeit charakterisiert ist. Diese Knochenfestigkeit spiegelt dabei das Zusammenwirken von Knochendichte und Knochenmikroarchitektur wider. Im Rahmen der deutschen BEST-II Studie, der aktuellsten Epidemiologischen Studie zur Folge waren in 2018 etwa 6 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von der Osteoporose betroffen, davon ca. 80% Frauen und ca. 20% Männer. (Abbildung 1). Demzufolge erkrankt jede 2-3 Frau über 50 Jahre an einer Osteoporose und über die Hälfte von ihnen wird innerhalb von 4 Jahren nach Diagnosestellung die klinische Konsequenz der Osteoporose, nämlich die Fraktur, erleben. Es ist zu erwarten, dass die demographische Bevölkerungsentwicklung in Deutschland in den kommenden Jahren zu einer weiteren, deutlichen Zunahme der Osteoporoseprävalenz führen wird.

Abbildung 1 Prävalenz der Osteoporose in Deutschland nach Hadji et al.

Untersuchung (Diagnostik)

Die Diagnose der Osteoporose wird anhand der Krankengeschichte, dem klinischen Bild, Laboruntersuchungen und apparativer Diagnostik gestellt. Als Goldstandard für die Diagnose der Osteoporose gilt weiterhin die Knochendichtemessung mittels des DXA-Verfahrens (Duale-Röntgen-Absorptiometrie). Nur in Regionen in Deutschland, in denen eine DXA Untersuchung nicht möglich ist, kann auch eine Ultraschalluntersuchung (QUS) oder QCT zur Diagnosestellung herangezogen werden. Bei Verdacht auf eine Wirbelkörperfraktur sollte eine Diagnostik durch Röntgenuntersuchung der Brust- und Lendenwirbelsäule veranlasst werden. Hauptziel dieser umfassenden Diagnostik ist die Abschätzung des individuellen Knochenbruchrisikos und die anschließende Therapieempfehlung. Insgesamt 33 verschiedene Risikofaktoren sind in der aktuellen Version der S-III-Leitlinie zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmenopausalen Frauen durch die Fachgesellschaften des Dachverbandes der Osteologen (DVO) aufgelistet. Die verschiedenen Risikofaktoren sind in Tabelle 1, den verschiedenen Facharztgruppen zugeordnet, aufgeführt.

Tabelle 1: Risikofaktoren für vertebrale Frakturen und Schenkelhalsfrakturen

Tabelle 1: Risikofaktoren für vertebrale Frakturen und Schenkelhalsfrakturen

Sobald Risikofaktoren in Verbindung mit dem Lebensalter und dem Geschlecht vorliegen, besteht die Indikation für eine weiterführende Diagnostik mittels Knochendichtemessung und ggf. Labordiagnostik. In diesem Zusammenhang, sollte darauf hingewiesen werden, dass Risikofaktoren in unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedlich schwer ins Gewicht fallen können.

 

Krankengeschichte und klinisches Bild

Für die konkrete Differenzierung einer sekundären Osteoporose ist die Anamnese essenziell und erlaubt außerdem spezifische Rückschlüsse. Tabelle 1 fasst klinische Risikofaktoren zusammen, bei denen sich ein erhöhtes relatives Knochenbruchrisiko für mindestens ein der folgenden osteoporotischen Knochenbruchlokalisationen erwiesen haben: Wirbelkörperbrüche (klinisch oder radiographisch), Oberschenkelbrüche und sogenannte „Major osteoporotic fractures“ (Oberarmfrakturen, Unterarmfrakturen, klinische Wirbelkörperfrakturen, Hüftfrakturen). Insbesondere im hohen Alter sollte die Muskelkraft und die Koordination aufgrund des erhöhten Sturzrisikos kontrolliert werden. Eine Reihe von verschiedenen Tests, wie zum Beispiel ‚Timed-up and Go’ in Kombination mit einem geriatrischen Assessment können hierzu hilfreich sein. Die Erfassung des BMI und eventuelle Körpergrößenveränderungen sowie die Ist-Größe im Vergleich zur Passgröße sind fester Bestandteil jeder Untersuchung.

Laboruntersuchung

Wichtig für den Ausschluss von Erkrankungen, welche sozusagen „nebenbei“ zu einer Osteoporose führen können (sekundären Osteoporose), ist eine Laboruntersuchung. Die aktuelle S-III-Leitlinie der DVO empfiehlt ein Basislabor (Tabelle 2).

Tabelle 2: Laboruntersuchung bei Osteoporose

Tabelle 2: Laboruntersuchung bei Osteoporose
Knochendichtemessung mittels DXA

Ein Abfall in der Knochendichte stellt einen unabhängigen Risikofaktor für osteoporosebedingte Knochenbrüche dar. Damit wird im Normalfall die Knochendichtemessung zur optimalen Einschätzung des Knochenbruchrisikos und zur Einleitung einer Behandlung benötigt.

Quantitative Ultrasonometrie (QUS)

Seit über 20 Jahren steht uns die qualitative Ultrasonometrie des Os Calcaneus zur ergänzenden Beurteilung des Frakturrisikos zur Verfügung. Damit besteht die Möglichkeit einer röntgenstrahlfreien und preiswerten Messmethode zur Risikofaktorerfassung. Es ist anzumerken, dass die QUS-Methode kein Verfahren zur Knochendichtemessung darstellt. Vielmehr erfolgt hierbei eine kombinierte Messung der Knochenmasse und Aspekte der Knochenqualität.

Röntgendiagnostik

Besteht der Verdacht auf eine osteoporosebedingten Knochenbruch, empfiehlt sich eine Röntgenaufnahme der Wirbelsäule (Brust- und Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen). Bei akuten Frakturen sowie während einer Schwangerschaft kann in Einzelfällen eine MRT Aufnahme frühzeitig zu einer Diagnosesicherung beitragen (Tabelle 3).​​​​

Tabelle 3: Bildgebende Diagnostik der Wirbelsäule

Bildgebende Diagnostik der Wirbelsäule

Abbildung 2: Basisdiagnostik der Osteoporose

Abbildung 2: Basisdiagnostik der Osteoporose

Behandlung

Generell besteht eine Notwendigkeit für eine medikamentöse Behandlung im Fall einer manifesten Osteoporose, d.h. wenn bereits Knochenbrüche der Wirbelsäule sowie des Oberschenkelhals vorliegen. Hierbei ist eine radiologische Bestätigung unabdingbar.

 

Außerdem liegt eine Behandlungsgrund vor, wenn eine orale Glukokortikoidtherapie (Kortison) mit mehr als 7,5 mg täglich über 3 Monate geplant ist und die Knochendichte bereits < -1,5 SD beträgt oder bereits Knochenbrüche vorliegen.

 

Einleitung einer Behandlung

​Als Basistherapie der Osteoporose sowie zur Prävention empfiehlt die Leitlinie eine adäquate Kalzium- und Vitamin-D Versorgung. Diese liegt bei einer täglichen Aufnahme von ca. 1000 mg Kalzium täglich und einer Vitamin-D-Aufnahme von 1000 bis 2000 IE Vitamin D pro Tag. Die Kalziumaufnahme kann auch in alimentärer Form erfolgen, z.B. mit kalziumreichem Mineralwasser und Milchprodukte.

 

Das Ziel der spezifischen Behandlung ist die Senkung des Knochenbruchrisikos. Weitere Parameter wie die Knochendichte oder die Knochenstoffwechselmarker gelten als Ersatz (Surrogat)-Parameter.

Zur Behandlung der Osteoporose stehen uns in Deutschland derzeit folgende Knochenabbauhemmende Medikamente zur Verfügung: eine Östogenbehandlung (+ Gelbkörperhormon bei vorhandener Gebärmutter), Bisphosphonate wie z.B. Aledronat, Ibadronat, Risedronat, Zoledronat, selektive Östrogen-Rezeptor Modulatoren (SERMSs) wie z.B. Raloxifen und Bazedoxifen, ein humaner monoklonarer Antikörper gegen RANKL namens Denosumab. Zusätzlich ist eine Behandlung mit einem den Knochen wiederaufbauenden Medikament, dem Parathormon (Teriparatide, Abaloparatide) sowie ein humaner monoklonarer Antikörper gegen Sklerostin namens Romosozumab zur Verfügung. Die verschiedenen Therapiemöglichkeiten sind in Tabelle 4 aufgeführt.

Tabelle 4: Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten der Osteoporose

Tabelle 4: Aktuelle Behandlungsmöglichkeiten der Osteoporose

Prinzipiell ist aufgrund der chronischen Natur der Erkrankung der Osteoporose von einer Langzeittherapie auszugehen. Nach einer Fraktur sollte die Therapiedauer mindestens 3-4 Jahre betragen. Hierbei sind klinische Verlaufskontrollen essentiell, weil die Therapietreue ein großes Problem darstellt. Aktuellen Studien zur Folge setzt jede zweite Patientin ein das Medikament innerhalb von 1-2 Jahren ab.

 

Eine besondere Bedeutung in der Behandlung der Osteoporose spielt die Hormonersatztherapie (HRT). In der aktuellen Version der Osteoporose Leitlinie der DVO ist die Prävention oder Behandlung der Osteoporose mittels einer HRT bei postmenopausalen Frauen mit hohem Risiko möglich, wenn Wechseljahrsbeschwerden bzw. die eine Unverträglichkeit oder Kontraindikation gegenüber anderen zur Osteoporoseprävention zugelassenen Medikamenten besteht. Hierbei muss angemerkt werden, das eine Effektivität der o.g. Alternativen bei Frauen, die sich in den ersten 10 Jahren nach der Menopause befinden bisher nicht ausreichend belegt ist – im Gegensatz zur HRT. Nach aktueller Studienlage sind Östrogene zur primären Vorbeugung von Osteoporosebedingten Knochenbrüchen geeignet. Bei Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko unter 60 Jahren oder innerhalb von 10 Jahren nach Eintritt der Menopause ist in den aktuellen LL der Internationalen Menopause Society (IMS) eine HRT die Therapie der ersten Wahl zur Prävention und Behandlung der Osteoporose. Zur Verminderung der Risikos für venösen Thrombosen sollte möglichst eine transdermalen Östrogengabe der Vorzug gegeben werden. Im Fall einer vorzeitigen (prämaturen) Menopause besteht nach den S-III Leitlinien zur HRT der DGGG eine klare Indikation zur HRT bis zum Eintrittsalter der natürlichen Menopause. Frauen nach einer Gebärmutterentfernung benötigen nur eine Behandlung mit Östrogenen (ohne Gelbkörperhormon). Bei noch vorhandener Gebärmutter ist zusätzlich zur Östrogengabe der Einsatz eines Gelbkörperhormons erforderlich.

Abbildung 3: DVO-Therapiealgorithmus bei Osteoporose

Abbildung 3: DVO-Therapiealgorithmus bei Osteoporose

Prognose

Die Osteoporose ist eine Volkserkrankung. Sie gehört zu den häufigsten, aber gleichzeitig auch zu den unterdiagnostizierten und –therapierten Erkrankungen weltweit. Der demographische Wandel wird in den folgenden Jahren zu einer deutlichen Zunahme an Osteoporose-assoziierten Knochenbrüchen führen, die Rate Schenkelhalsbrüchen wird sich bis 2040 verdoppeln. Eine konsequente Vorbeugung mit ausreichender Kalziumaufnahme, Vitamin-D-Einnahme und einer Knochestoffwechsel gesunden Lebensführung unter Einschluss von sportlicher Bewegung vom Kindesalter an erscheint unabdingbar. Eine rechtzeitige Diagnose und eine effektive Therapie haben einen deutlichen Einfluss auf die Lebensqualität durch die Verringerung der Knochenbruchrate.

Zuletzt aktualisiert am 30.05.2024

Prof. Dr. med. Peyman Hadji

1. Frankfurter Hormon- und Osteoporosezentrum, Frankfurt/Main

3. Philipps-Universität Marburg

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